Du hast eine Idee für ein digitales Produkt oder eine Dienstleistung, bei der später vieles (oder sogar alles) automatisch ablaufen muss, aber Du weißt noch nicht, ob es sich wirklich lohnt, diesen Aufwand wirklich zu betreiben? Dann ist das Wizard of Oz MVP die richtige Methode, um genau das herauszufinden!
Mit dieser Technik aus dem Lean Startup kannst Du nämlich testen, ob Deine Zielgruppe ein (scheinbar) vollautomatisiertes System wirklich nutzt. (Während Du im Hintergrund noch heimlich alles manuell machst.)
Für Dich als Solopreneur ist das Wizard of Oz MVP eine clevere Möglichkeit, mit wenig Aufwand herauszufinden, ob sich eine Automatisierung für Deine Geschäftsidee überhaupt lohnt oder ob Deine Energie und Dein Budget besser an anderer Stelle viel besser eingesetzt wären.
Wie funktioniert das Wizard of Oz MVP?
Die Grundidee des Wizard of Oz MVP funktioniert ähnlich wie das Concierge MVP. Auch hier nimmst Du Aufträge von Deinen Kunden entgegen und bearbeitest diese manuell statt automatisiert.
Auf den ersten Blick mag das wie eine Feinheit wirken, die nicht weiter ins Gewicht fällt. Tatsächlich besteht jedoch ein großer Unterschied in der Zielsetzung dieses Minimum Viable Products.
Wann ist Wizard of Oz sinnvoll?
Beim Concierge MVP geht es vor allem darum, die Wünsche Deiner Kunden besser zu verstehen und Muster in den notwendigen Prozessen zu entdecken, um sie später automatisieren zu können.
Im Gegensatz dazu verfolgst Du mit dem Wizard of Oz MVP eine anderes Ziel. Hier geht es nämlich in erster Linie darum, vier Dinge herauszufinden:
- Wie viele Anfragen erhältst Du überhaupt, wenn Kunden glauben, alles würde automatisiert bearbeitet?
- Welches Anfragevolumen kannst Du manuell abarbeiten?
- Wie schnell kannst Du die Anfragen (manuell) beantworten?
- Ab welchem Volumen ergibt eine Automatisierung Sinn für Dich?
Kurz gesagt: Das Wizard of Oz MVP zielt darauf ab, zu ermitteln, ob eine Automatisierung von Abläufen und Prozessen überhaupt sinnvoll ist. Und das funktioniert eben nur dann, wenn Du Deinen Kunden "vorgaukelst", es wäre bereits alles automatisiert. Weil Du nur dann "reale Bedingungen" erzeugst.
Beispiele für den erfolgreichen Einsatz der Wizard-of-Oz-Methode
Wie bei vielen anderen MVP, gibt es auch für die Wizard of Oz Methode einige spannende Beispiele, wie Du das Ganze umsetzen kannst.
UrbanClap
Die Plattform UrbanClap (heute Urban Company) nutzte das Wizard of Oz MVP und stelle dazu eine Webseite online, auf der Kunden Heim- und Handwerker-Dienstleistungen buchen konnten. Während die Nutzer der Webseite davon ausgingen, alles wäre automatisiert und würde mit Hilfe von Matching-Algorithmen funktionieren, erfolgte die Vermittlung und Koordination jedoch in Wahrheit manuell.
Auf diese Weise konnte UrbanClap herausfinden, ob Menschen bereit wären, Handwerker und andere Dienstleistungen über eine Webseite zu buchen und natürlich auch, wie hoch das Auftragsvolumen sein wird.
Erst danach wurden die dazu notwendigen Prozesse automatisiert.
mobileJob
Ein weiteres, sehr spannendes Beispiel für das Wizard of Oz MVP ist mobileJob. Der Gründer Steffen Manes wollte herausfinden, welche Kanäle geeignet wären, wenn Menschen sich auf offene Stellen bewerben möchten. Dazu hing er in einem Restaurant zwei Plakate mit einem Jobangebot auf und Interessierte konnten sich dann per SMS mit einem Code bewerben.
Um die Automatisierung "vorzugaukeln", wurde die Antwort-SMS innerhalb einer Minute manuell an den Bewerber gesendet, sodass der Eindruck entstand, es handle sich um einen Chatbot. (Den es aber noch gar nicht gab.)
Ausführlicher ist dieses Wizard of Oz Experiment auf der Webseite der Uni Oldenburg beschrieben.
Vor- & Nachteile des Wizard of Oz MVP
- Wie jedes MVP hat auch das Wizard of Oz Experiment Vor- & Nachteile, die Du kennen solltest, bevor Du beschließt, es einzusetzen.
Vorteile
- Realistische Markterprobung: Mit dem Wizard of Oz MVP simulierst Du ein funktionierendes System und kannst beobachten, wie viele Menschen es tatsächlich nutzen, ohne dass es technisch existiert. So erkennst Du, ob eine echte Nachfrage besteht.
- Klares Bild vom Automatisierungspotenzial: Du findest heraus, welche Prozesse oft angefragt werden und wo Automatisierung den größten Hebel hätte bzw. ob sich Automatisierung überhaupt lohnen würde.
- Schneller Start ohne Entwicklungsaufwand: Du brauchst keine Plattform, kein Tool und keine API.
- Validierung Deiner Idee: Statt hypothetischem Feedback kannst Du das reale Verhalten Deiner Nutzer beobachten. (Weil sie glauben, dass Dein System bereits funktioniert.) Das ist viel aussagekräftiger als Interviewantworten wie "Das würde ich auf jeden Fall nutzen!"
- Erkennung versteckter Probleme: Du merkst früh, wo Deine Prozesse noch hängen, wo Kunden nicht klarkommen oder wie hoch der tatsächliche Betreuungsaufwand ist.
Nachteile
- Vertrauensrisiko: Wenn Deine Nutzer herausfinden sollten, dass Dein "System" in Wirklichkeit ein Mensch ist, kann das zu Enttäuschung oder sogar Misstrauen führen. Gerade in sensiblen Branchen kann das schlimmstenfalls Deine gesamte Marke beschädigen.
- Hoher manueller Aufwand: Was für einige wenige Nutzer funktioniert, kann natürlich auch schnell zur Belastung werden, wenn Du mehr Anfragen erhältst als gedacht. (Wobei das grundsätzlich auch ein gutes Zeichen für Deine Geschäftsidee ist. 😉)
- Keine echte Skalierung: Du testest zwar die Nachfrage an Deinem Angebot, aber hast eventuell noch keine effizienten Prozesse. Selbst bei einem Erfolg musst Du anschließend noch einmal alles neu durchdenken. Eventuell stellt sich sogar heraus, dass Du nicht in der Lage bist, das Ganze technisch zu automatisieren.
- Technologische Sackgasse: Nicht jede manuelle Lösung lässt sich später automatisieren. Du könntest auf Prozesse setzen, die später mit Software nicht abbildbar sind.
- Graubereich zwischen MVP und Täuschung: Wenn Du zu viel Automation vorgaukelst oder Deine Kunden glauben lässt, Dein Produkt sei bereits fertig, kann das (je nach Kontext) auch rechtlich oder ethisch problematisch werden.
Darauf musst Du achten, wenn Du das Wizard of Oz einsetzen willst
Auch wenn das Wizard of Oz MVP eine schnelle und effiziente Methode ist, um Dein Angebot unter realistischen Bedingungen zu testen, gibt es ein paar wichtige Dinge, auf die Du als Solopreneur unbedingt achten solltest.
Rechtliche Aspekte
Sobald Du ein Produkt testest, das wie ein echtes System erscheint, musst Du Dich mit den rechtlichen Rahmenbedingungen auseinandersetzen. Ganz besonders, wenn personenbezogene Daten im Spiel sind!

Auch wenn im Hintergrund alles manuell läuft, gilt auch hier die DSGVO uneingeschränkt, sobald Du etwa Namen, Email-Adressen oder andere persönliche Informationen speicherst oder verarbeitest. Problematisch wird es außerdem, wenn Du beispielsweise suggerierst, dass Dein System auf künstlicher Intelligenz basiere, obwohl das nicht der Fall ist.
Gerade in sensiblen Branchen wie Coaching, Medizin, Finanzen oder bei juristischer Beratung kann eine solche Darstellung zu ethischen Problemen und rechtlichen Konsequenzen führen, weil Deine Kunden sich getäuscht fühlen.
Teste Deinen Ablauf
Ein häufig unterschätzter Punkt beim Wizard of Oz MVP ist der Ablauf Deines manuellen Prozesses, der im Hintergrund stattfindet. Während Du beim Concierge MVP gezielt ausprobierst, setzt das Wizard of Oz Experiment voraus, dass Du bereits einen definierten und stabilen Prozess hast.
Denn Deine Kunden sollen glauben, dass sie mit einem funktionierenden System interagieren (und nicht Teil eines Tests sind). Deshalb solltest Du den kompletten Ablauf, den Du simulieren willst, im Vorfeld mehrfach durchgespielt haben. Du musst genau wissen, wie die einzelnen Schritte ablaufen, wie lange sie dauern und welche Tools oder Hilfsmittel Du dazu benötigst.
Wenn Dir hierbei Fehler unterlaufen oder Abläufe ins Stocken geraten, erleben Deine Kunden schlicht ein fehlerhaftes Produkt. Und das kann Deiner Idee mehr schaden als helfen.
Definiere ein Mindestvolumen
Das Wizard of Oz MVP macht nur dann Sinn, wenn Du vorher festlegst, ab wann Du Dein Experiment als erfolgreich betrachten willst.
Heißt im Klartext: Du brauchst ein konkretes Mindestvolumen an Anfragen, bei dem sich die Entwicklung eines echten Systems lohnen würde.
Wenn Du dieses Volumen nicht erreichst, dann ist das ein klares Zeichen dafür, dass die Nachfrage nicht ausreicht. Unabhängig davon, wie gut Dein Prozess im Hintergrund funktioniert.
In so einem Fall solltest Du nicht automatisieren, sondern Dein Angebot oder Deine Zielgruppe noch einmal grundlegend überdenken. Denn nur wenn Du eine echte Nachfrage unter realistischen Bedingungen nachweisen kannst, lohnt sich der Aufwand für die technische Skalierung.
Das kannst Du danach machen
Nach Deinem Wizard of Oz Experiment hast Du im Optimalfall eine klare Vorstellung davon, ob sich die Automatisierung bestimmter Prozesse für Dein Business lohnt oder nicht. Allerdings brauchst Du auch nach einem erfolgreichen Test nicht direkt "All-in" zu gehen, sondern kannst weitere MVP anwenden.
Beispielsweise brauchst Du den automatisierten Prozess nicht selbst zu programmieren (oder programmieren zu lassen), sondern kannst ihn mit einem Mash-up mit Hilfe vorhandener Tools umsetzen. (Das ist zwar nicht immer perfekt, sollte aber für den ersten Wurf ausreichend sein.)
Auch ein Referral Programm kann ein sinnvoller nächster Schritt für Dich sein. Damit überprüfst Du dann, ob Kunden, die (unwissentlich) an Deinem Wizard of Oz Test teilgenommen haben, Dein Angebot weiterempfehlen oder nicht.
Wenn Du Dir schon ziemlich sicher bist, dass Deine Geschäftsidee funktioniert, Dir aber noch das nötige Kleingeld für die technische Umsetzung fehlt, kannst Du auf ein Crowdfunding MVP zurückgreifen.
Fazit
Das Wizard of Oz MVP ist ein sehr wirkungsvolles Experiment, wenn Du testen willst, ob Du bestimmte Abläufe und Prozesse in Deinem Geschäftsmodell überhaupt automatisieren solltest. Es hilft Dir vor allem dabei, herauszufinden, wie Nutzer auf ein (scheinbar) fertiges System reagieren und ob unter "realen Bedingungen" eine echte Nachfrage entsteht.
Gerade die Simulation eines fertigen Produktes kann ein entscheidender Hebel für Dich sein. (Oder auch ein rechtzeitiger Warnhinweis, weil Du feststellst, dass eine Automatisierung gar nicht notwendig ist.)


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