Design Thinking und agile Methoden wie Scrum, Kanban oder Lean Startup haben vieles gemeinsam: Sie helfen, komplexe Probleme in überschaubare Schritte zu zerlegen und durch ständige Anpassung schneller eine gute Lösungen zu entwickeln.

Gerade in Zeiten, in denen Anforderungen und Märkte permanent im Wandel sind, ermöglichen Dir diese Methoden ein flexibles und gleichzeitig zielgerichtetes Arbeiten. In diesem Artikel werfe ich mit Dir einen Blick auf die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Design Thinking und anderen agilen Methoden und zeige Dir, wie sie sich in der Praxis sinnvoll kombinieren lassen.

Gemeinsamkeiten von Design Thinking und agilen Methoden

Wenn Du Design Thinking und agile Methoden wie Scrum, Kanban oder auch Lean Startup miteinander vergleichst, dann fallen vor allem zwei große Gemeinsamkeiten auf: Erstens der Umgang mit Komplexität und Ungewissheit der VUCA-Welt. Und zweitens das iterative Vorgehen.

Umgang mit VUCA

Design Thinking und andere agile Methoden sind immer dann sinnvoll, wenn Du mit sehr viel Ungewissheit und Komplexität konfrontiert bist. Denn wenn Du weder das Problem noch die mögliche Lösung richtig verstanden hast, bist Du gezwungen, schnell hinzuzulernen.

Handgezeichnete Skizze zur VUCA-Welt mit den vier Begriffen "Volatility", "Uncertainty", "Complexity" und "Ambiguity".
Design Thinking & agile Methoden geben Antworten auf die Herausforderungen der VUCA-Welt.

Agile Methoden helfen Dir, mit komplexen Situationen besser umzugehen. Ein großes Missverständnis von agilem Arbeiten ist, dass viele glauben, dass dadurch alles schneller fertig wird. Tatsächlich geht es vielmehr darum schneller zu lernen.

Fail fast & forward - Heiter scheitern?
Wie Dir als Solopreneur das Prinzip “Fail fast & forward” hilft, schneller zu lernen und Deine Risiken zu minimieren.

Kurz gesamt: Agile Methoden und Design Thinking teilen das gleiche Anwendungs- & Einsatzgebiet.

Iterationen

Die zweite Gemeinsamkeit, die Design Thinking mit agilen Methoden teilt, ist das iterative Vorgehen. Hinter diesem zunächst vielleicht etwas sperrig daherkommenden Begriff steckt eine ziemlich simple Idee:

💡
Eine Iteration ist die kontinuierliche Wiederholung eines immer gleich ablaufenden Prozesses.

Iterationen in Gesellschaftsspielen

Ein gutes Beispiel für eine Iteration sind Spielzüge in einem Gesellschaftsspiel. Im bekannten Legespiel Carcassonne sind die einzelnen Schritte eines Spielzugs bzw. einer Iteration:

  1. Karte ziehen und anlegen
  2. Einen Gefolgsmann auf die soeben gelegte Karte setzen (Wegelagerer, Ritter, Mönch oder Bauer)
  3. Wird durch die angelegte Karte eine Straße, eine Stadt oder ein Kloster mit einem Gefolgsmann fertig, erhält der Spieler dieses Gefolgsmanns Punkte.

Iterationen in Scrum

Beim agilen Framework Scrum nennen sich Iterationen Sprints. Sprints sind maximal vier Wochen lang und folgen (genauso wie ein Spielzug in Carcassonne) immer dem gleichen Ablauf:

  1. Sprint Planning
  2. Daily Scrum (Kurzes tägliches Meeting an jedem Tag eines Sprints)
  3. Sprint Review
  4. Sprint Retrospektive
Diagramm, das den Sprint-Prozess in Scrum darstellt. Eine rote geschwungene Pfeilform symbolisiert den iterativen Zyklus, mit den wichtigsten Ereignissen Sprint Planning, Daily Scrum, Sprint Review und Sprint Retrospektive als schwarze Kreise entlang des Ablaufs.
Aufbau eines Sprints in Scrum

Genau wie bei Carcassonne beginnt der Sprint bzw. die Iteration in Scrum direkt wieder von vorne, wenn der Durchlauf beendet ist.

Iterationen im Design Thinking

Im Design Thinking lauten die Stationen einer Iteration:

  1. Kontext verstehen
  2. Menschen beobachten
  3. Sichtweise definieren
  4. Ideen entwickeln
  5. Prototypen bauen
  6. Prototypen testen

Allerdings verbirgt sich hinter den sechs Design Thinking Phasen auch ein Unterschied im Vergleich zu Scrum. Denn beim Design Thinking ist es durchaus möglich, jederzeit zu einer früheren Phase zurückzuspringen und dort mit Hilfe neu gewonnener Erkenntnisse den Design Thinking Prozess erneut zu beginnen.

Iterationen im Design Thinking Prozess
Iterationen im Design Thinking Prozess

Unterschiede zwischen Design Thinking und agilen Methoden

Im Gegensatz zu den beiden bekanntesten agilen Methoden (Scrum & Kanban) ist Design Thinking sehr viel stärker auf Ideenfindung und ein gutes Verständnis Deiner Nutzer ausgelegt. (Beides spielt aber natürlich auch in Scrum und Kanban ein wichtige Rolle.)

  • Bei Scrum liegt der Fokus jedoch viel stärker auf der kontinuierlichen Lieferung neuer Funktionen bzw. "Wert" für Deine Kunden.
  • Bei Kanban hingegen geht es in erster Linie darum, einen optimierten Wertstrom zu erzeugen.

Wenn Du so möchtest, setzen Scrum und Kanban den Problem Solution Fit quasi schon voraus, während Du beim Design Thinking erst versuchst, diesen herzustellen.

Der Einsatz von Design Thinking ist zeitlich begrenzt

Ein weiterer Unterschied zwischen Design Thinking und anderen agilen Methoden ist der, dass der Einsatz von Design Thinking in der Regel zeitlich begrenzt ist. Das heißt, während Du zum Beispiel Scrum oder Kanban kontinuierlich einsetzen kannst, gilt das für Design Thinking nicht.

Meistens endet der Design Thinking Prozess, sobald Du ausreichend Informationen gesammelt hast. Zum Beispiel weil Du einige vielversprechende Ideen bzw. Prototypen entwickelt und getestet hast, die die Probleme Deiner Zielgruppe lösen könnten. Häufig gehst Du dann über zu Lean Startup und entwickelst ein Minimum Viable Product oder steigst direkt auf Scrum um.

Wie Du mit einem MVP Deinen Markt testest
Ein Minimum Viable Product (MVP) ist die kleinstmögliche Version Deines Produkts, um Kundenfeedback zu sammeln und schnell hinzuzulernen.

Design Thinking, Lean Startup & Agile bzw. Scrum

Dieser Wechsel zwischen den agilen Methoden wurde schon 2016 mit der untenstehenden Grafik von der Beratungsfirma Gartner sehr gut visualisiert.

Diagramm von Gartner, das die Verbindung zwischen Design Thinking, Lean Startup und Agile zeigt. Der Prozess beginnt mit Design Thinking zur Problemdefinition und Ideengenerierung, geht über in Lean Startup mit Experimentieren, Messen und Iterationen und endet in Agile mit Sprint-Planung, Produktentwicklung und inkrementeller Auslieferung.
Design Thinking - Lean Startup - Agile

Auch wenn diese Grafik natürlich eine vereinfachte Darstellung ist, ist der Übergang vom Design Thinking über Lean Startup hin zu Agile (in dem Fall Scrum) durchaus logisch und nachvollziehbar. Auf diese Weise wird vor allem der zeitlich begrenzte Einsatz von Design Thinking (und Lean Startup) sehr anschaulich.

Besonders auffällig an der Grafik ist außerdem, dass die beiden letzten Phasen des Design Thinking Prozesses bereits zum Build-Measure-Learn-Zyklus gerechnet werden.

💡
Randnotiz für Profis: Es gibt mittlerweile sogar noch eine Erweiterung dieser Darstellung namens 4+ Modell, bei dem Scrum später durch Six Sigma abgelöst wird.

Kombination von Design Thinking und agilen Methoden

Ganz so klar und eindeutig wie oben dargestellt ist die Unterscheidung zwischen agilen Methoden auf der einen und Design Thinking auf der anderen Seite dann allerdings doch nicht.

Design Thinking Methoden in anderen Frameworks nutzen

Viele Methoden und Tools, die ursprünglich aus dem Design Thinking stammen, haben mittlerweile ihren festen Platz in anderen agilen Methoden gefunden und werden dort erfolgreich eingesetzt.

Beispielsweise ist es nichts Besonderes mehr, auch im Rahmen von Scrum Methoden wie die Empathy Map, Personas oder das Value Proposition Canvas zu nutzen.

Design Thinking bei auftauchenden Herausforderungen

Neben dem Einsatz einzelner Design Thinking Methoden kann es aber auch sinnvoll sein, Dein übliches Vorgehen zu unterbrechen und durch einen zeitlich begrenzten Design Thinking Prozess zu ersetzen. Wenn Du zum Beispiel eigentlich mit Scrum arbeitest und feststellst, dass Deine Kunden Dein Produkt überhaupt nicht haben wollen, kann es sich lohnen, Scrum zu "unterbrechen" und einen kurzen, 5 Tage dauernden Design Sprint zu nutzen, um wieder auf die richtige Fährte zu kommen.

Design Thinking & agile Methoden parallel nutzen

Drittens ist es auch möglich, sowohl agiles Arbeiten als auch Design Thinking parallel zu betreiben. Das heißt, Du nutzt weiter Scrum oder Kanban für Deine tägliche Arbeit, durchläufst jedoch gleichzeitig einen Design Thinking Prozess, der Dir mehr Klarheit bei einem speziellen Thema verschaffen soll, das noch extrem unklar ist. Zum Beispiel ein neues Feature für Dein aktuelles Produkt.

Fazit

Zusammengefasst lässt sich sagen, das sowohl Design Thinking als auch agile Methoden hilfreiche Ansätze bieten, um komplexe und unklare Herausforderungen anzugehen. Während Design Thinking den Fokus stärker auf ein tiefes Verständnis Deiner Nutzer und kreative Problemlösungen legt, ermöglichen Dir agile Methoden wie Scrum und Kanban eine kontinuierliche Weiterentwicklung Deines Angebots.

Beide Ansätze ergänzen sich ideal und können (je nach Phase Deines Vorhabens) flexibel miteinander kombiniert werden, um innovative und nutzerzentrierte Lösungen zu schaffen.

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