Wenn Du Interviews mit Deinen Kunden führst, dann kann es leicht passieren, dass Du nur nette Komplimente, höfliches Gelaber (Fluff) oder gut gemeinte Feature-Vorschläge & Ideen zu hören kriegst.

"Oh, ein Marketing-Podcast ist eine tolle Idee! Wirst Du auch eine Folge über Instagram Reels machen? Die würde ich mir definitiv anhören!"

Und so schön das auch zunächst klingen mag – solche Antworten bringen Dich keinen Schritt weiter.

Der Mom Test von Rob Fitzpatrick bietet Dir drei einfache Regeln, die es Deinem Gegenüber unmöglich machen, sich mit unverbindlichen Nettigkeiten aus der Affäre zu ziehen. Und so kannst Du die harten Fakten hinter Deiner Geschäftsidee aufzudecken – selbst wenn Dein Interviewpartner Deiner Mutter sein sollte, die es immer gut mit Dir meint.

Was ist der Mom Test?

Menschen haben die Tendenz, freundlich, nett und höflich zu sein, ganz besonders zu Menschen, die sie (noch) nicht gut kennen. Bewusst oder unbewusst werden sie Dich deshalb eher in Deiner Idee bestärken, als sie Dir auszureden – selbst dann, wenn sie sie schlecht finden.

Insbesondere Deine Mutter ist so ein Mensch. Wenn Du ihr von Deinem neuesten Vorhaben erzählst, wird sie Dir deshalb höchstwahrscheinlich sagen, dass es eine hervorragende Idee ist. Weil sie Dich bei allem, was Du unternimmst, unterstützen möchte und will, dass Du erfolgreich bist.

Ältere Frau in rotem Shirt vor rotem Hintergrund. Streckt beide Daumen nach oben, um den bestandenen Mom Test zu signalisieren.
Bestehe den Mom Test und falle nicht auf ihre gut gemeinte Komplimente herein!

Das Problem ist nur: Höflichkeit hilft Dir nicht herauszufinden, ob Deine neuste Geschäftsidee funktionieren wird. Nett gemeinte Bestätigungen wiegen Dich bestenfalls in trügerischer Sicherheit. Du erhältst Komplimente, unspezifische Absichtserklärungen oder sogar gut gemeinte Vorschläge, wie Du Dein Angebot noch verbessern könntest.

Aus diesem Grund hat Rob Fitzpatrick den Mom Test entwickelt. Mit seinen drei einfachen Regeln bist Du in der Lage, nette Komplimente, höfliches Gelaber und gut gemeinte Ratschläge zu erkennen und stattdessen mit den richtigen Fragen die harten Fakten aufzudecken, die Dich wirklich voranbringen.

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Diese drei Regeln funktionieren so gut, dass selbst Deine Mutter Dich nicht mehr mit schmeichelhaften Höflichkeiten umgarnen könnte. (Was dem Mom Test seinen Namen gab.)

Die 3 Regeln des Mom Tests

Mit dem Mom Test bist Du der Freundlichkeit Deines Interviewees nicht mehr hoffnungslos ausgeliefert – selbst wenn es Deine Mutter ist. Denn mit seinen drei einfachen Regeln machst Du es Deinem Gesprächspartner unmöglich, höflich und unspezifisch zu antworten.

Die drei Regeln des Mom Tests lauten:

  1. Sprich über die Lebenswelt Deines Interviewees (statt über Deine Idee)
  2. Frag nach spezifischen Verhalten in der Vergangenheit (statt über potenzielle Handlungen in der Zukunft)
  3. Höre zu (statt viel zu reden)

Regel Nr. 1: Sprich über die Lebenswelt Deines Interviewees

Der erste Trick des Mom Tests besteht darin, dass Du nicht über Deine Idee sprichst, sondern über die Lebenswelt Deines Interviewpartners. Denn wenn Du Deinem Interviewee von Deiner Idee erzählst, eröffnest Du ihr oder ihm die Möglichkeit, Komplimente und Nettigkeiten darüber zu äußern.

Junger Mann in einem roten Shirt vor einem roten Hintergrund, der die erste Regel des Mom Tests beherzigt und seine Lippen wie mit einem Reißverschluss verschließt.
1. Regel des Mom Tests: Sprich nicht über Deine Idee!

Regel Nr. 2: Frag nach spezifischem Verhalten in der Vergangenheit

Die zweite Regel des Mom Tests lautet, dass Du in den Gesprächen mit Deiner Zielgruppe nicht über hypothetische Handlungen in der Zukunft sprichst. Sondern über konkretes Verhalten in der Vergangenheit.

Statt also zu fragen: "Würdest Du einen Marketing-Podcast hören?", solltest Du nach konkreten Ereignissen der Vergangenheit fragen: "Wann hast Du das letzte Mal einen Marketing-Podcast gehört?"

Regel Nr. 3: Höre zu statt viel zu reden

Die dritte Regel des Mom Tests besagt, dass Du mehr zuhören solltest, als selbst zu reden. Das klingt simpel, ist in der Praxis aber oft die schwierigste Regel. Denn sobald Du eine Idee hast, bist Du (zu Recht) begeistert davon. Du willst anderen davon erzählen, Feedback einholen, Menschen dafür gewinnen. Aber genau das ist der Fehler: Wenn Du Deine Idee präsentierst oder rechtfertigst, erzeugst Du Druck beim Gegenüber – er oder sie wird Dir eher zustimmen, statt ehrlich zu sein.

Deshalb gilt: Stelle Fragen, dann halte den Mund!

Lass Stille zu. Gib Deinem Gesprächspartner Raum, um nachzudenken. Oft kommen die spannendsten Einsichten genau in diesen kleinen Pausen, wenn Du nicht sofort mit der nächsten Frage oder Idee reinspringst.

Ein gutes Interview fühlt sich manchmal so an, als würdest Du zu wenig machen. Du stellst ein paar offene Fragen und lässt den anderen reden. Wenn Du diese Regel befolgst, bekommst Du nicht nur mehr Informationen. Sondern Du erfährst auch, was Deinem Interviewpartner wirklich wichtig ist. Und genau das ist das Ziel eines guten Interviews.

Der Mom Test in der Praxis

In der Praxis ist es manchmal gar nicht so einfach, den Mom Test zu bestehen und seine drei Regeln zu beachten. Es gibt allerdings drei untrügliche Signale dafür, dass Du ihn nicht bestanden hast:

  1. Komplimente
  2. Fluff (Gelaber)
  3. Ideen & Vorschläge

Achte auf Komplimente

Das erste Signal, das Dich darauf aufmerksam macht, dass Du den Mom Test nicht bestanden hast, sind Komplimente. Denn Komplimente erhältst Du immer dann, wenn Du von Deiner Produktidee erzählst.

Fröhliche Frau in rotem Shirt vor rotem Hintergrund formt mit den Händen ein Herz und lächelt in die Kamera.
Komplimente sind ein starkes Signal, dass Du den Mom Test nicht bestanden hast.

Damit hast Du aber die erste Regel des Mom Tests verletzt, weil Du nicht nach der Lebenswelt Deiner Zielgruppe gefragt hast. Und dadurch ermöglichst Du es Deinem Interviewee, nett zu Dir zu sein und Dich in Deiner Idee zu bestärken:

  • "Hey, ich überlege einen Marketing-Podcast für Solo-Gründer zu machen! Wie findest Du das?"
  • "Oh, das ist eine tolle Idee! Ein Marketing Podcast nur für Solo-Gründer wäre eine tolle Sache!"

Bestätigung ist zwar toll, aber dadurch erfährst Du nichts über die Lebenswelt Deiner Zielgruppe. Wenn Du Komplimente hörst, solltest Du deshalb immer versuchen, Fragen über Fakten aus der Vergangenheit zu stellen:

  • "Welche Rolle spielt Marketing für Dich als Sologründer?"
  • "Wie hältst Du Dich zu Neuheiten im Marketing auf dem neusten Stand?"
  • "Hörst Du Podcasts? Welche sind das? Was gefällt Dir besonders gut an ihnen? Was gefällt Dir nicht?"
  • "Was sind Deine Herausforderungen beim Marketing? Wie gehst Du damit um?"

Mit diesen Fragen gelingt es Dir, mehr über die Lebenswelt Deiner Zielgruppe zu erfahren (1. Regel des Mom Tests) und Fakten über konkretes Verhalten in der Vergangenheit zu entdecken (2. Regel des Mom Tests).

Sei misstrauisch bei "Fluff"

Das zweite Signal, bei dem Du misstrauisch werden solltest, ist Fluff (Gelaber). Fluff kann Dir in Deinen Gesprächen mit Kunden und Nutzern in drei verschiedenen Varianten begegnen:

  1. Generische Behauptungen
  2. Zukünftiges Verhalten
  3. Hypothetisches Verhalten

Hier ein paar Beispiele, wie das in der Praxis aussehen kann:

Generische Behauptungen

  • "Ich höre immer Podcasts."
  • "Ich höre nie Podcasts."
  • "Normalerweise höre ich Podcasts, wenn ich Auto fahre."

Zukünftiges Verhalten

  • "Ich möchte Deinen Podcast hören."
  • "Ich werde Deinen Podcast (auf jeden Fall) hören." (Ganz gefährlich!)

Hypothetische Äußerungen

  • "Ich könnte Deinen Podcasts hören, wenn ich zur Arbeit fahre."
  • "Ich würde Deinen Podcast regelmäßig hören."

Höchstwahrscheinlich erhältst Du solche Antworten von Deinem Interviewee, weil Du entweder selbst von Deiner Idee gesprochen hast (Regel 1 des Mom Tests verletzt) oder nach der Zukunft gefragt hast (Regel 2 des Mom Tests verletzt).

Schaubild mit zwei entgegengesetzten Pfeilen: Links ein roter Pfeil mit der Aufschrift "Konkrete Vergangenheit", rechts ein grauer Pfeil mit der Aufschrift "Hypothetische Zukunft". Ein geschwungener Pfeil verläuft von rechts zurück nach links.
Lenke das Gespräch von einer hypothetischen Zukunft zurück in die konkrete Vergangenheit.

Wenn Deine Interviewees Fluff äußern, musst Du das Gespräch mit den richtigen Fragen von einer hypothetischen Zukunft zurück in die konkrete Vergangenheit lenken.

  • "Wann hast Du das letzte Mal einen Marketing-Podcast gehört?"
  • "Welcher Marketing-Podcast war das und wie hat er Dir gefallen?"
  • "Was nutzt Du neben Marketing-Podcasts sonst noch?"
  • "Erzähl mir, wie Du vorgehst, wenn Du Deine Marketing-Maßnahmen umsetzt!"

Finde heraus, was hinter Ideen & Vorschlägen steckt

Das dritte Signal dafür, dass Du mit Deinem Interview (höchstwahrscheinlich) auf dem Holzweg bist, sind Ideen & Vorschläge Deiner Interviewees. Das sind zum Beispiel Äußerungen wie diese:

  • "Hey, Du musst auf jeden Fall eine Folge über Instagram Reels machen!"
  • "Du solltest spannende Gäste einladen! Zum Beispiel Björn Tantau."

Was auf den ersten Blick mega hilfreich wirkt, entpuppt sich bei näherem Hinsehen als gefährliche Stolperfalle für Dich. Denn wenn Du diese Vorschläge einfach übernimmst, ohne zu wissen, was genau dahintersteckt, entwickelst Du Dein Angebot schlimmstenfalls in die falsche Richtung.

Gewöhne Dir deshalb an, tiefer zu graben
  • "Oh, das klingt spannend! Erzähl mir mehr über Instragram Reels. Wie nutzt Du sie gerade und was fällt Dir dabei so schwer?"
  • "Warum findest Du Gäste im Podcast so wichtig? Und warum gerade Björn Tantau?"

Mit solchen Fragen findest Du nämlich heraus, was hinter diesen Vorschlägen steckt. Das könnte zum Beispiel sein:

  • "Oh, ich selbst mach gar keine Instagram Reels. Hab nur gehört, dass das gerade der letzte Schrei ist."
  • "Meine Instragram Reels funktionieren schon sehr gut. Eigentlich weiß ich schon alles darüber. Aber es könnte vielleicht anderen Hörern helfen."
  • "Ach, ich höre gar keine Podcasts mit Gästen, weil die immer sehr lang sind. Kurze Podcasts finde ich viel besser. Ich dache nur, dass Dir Gäste dabei helfen könnten, schneller bekannt zu werden."

Wenn Du die Vorschläge Deiner Interviewees einfach übernommen hättest, ohne tiefer zu graben, hättest Du Deinen Podcast in eine falsche Richtung weiterentwickelt.

Durch den Fokus auf die Lebenswelt Deines Interviewpartners (1. Regel des Mom Tests) und konkretes Verhalten in der Vergangenheit (2. Regel des Mom Tests) hast Du aber herausgefunden, dass Instagram Reels kein relevantes Thema sind und kurze Podcastfolgen lieber gehört werden als lange.

Der Mom Test ist nur der Anfang

Wenn Du damit beginnst, Deine ersten Interviews mit Kunden und Nutzern zu führen, ist der Mom Test von Rob Fitzpatrick ein sehr praxisorientierter und vor allem einfacher Einstieg.

Die drei Regeln sind einfach zu beherzigen und wenn Du in Deinen Gesprächen auf Komplimente, Fluff und Feature-Vorschläge achtest, wird es Dir leicht gelingen, Deine Interviewees mit den passenden Fragen wieder in die richtige Richtung zu lenken.

Wie bei jedem Thema kannst Du natürlich auch hier noch tiefer einsteigen und Deine Technik mit der Zeit immer weiter verfeinern. Im Blog findest Du dazu noch viele weitere Artikel, die das Thema Interviews ausführlich behandeln.

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