Wenn Du ein Business gründest, sind viele kleine Schritte sehr viel sinnvoller, um Dich zum Ziel zu bringen, als ein ausgefeilter Masterplan, der schon nach vier Wochen nicht mehr aktuell ist. Iterationen sind Dein Schlüssel, um mit Komplexität und Ungewissheit umzugehen, wenn Du ein innovatives Produkt oder Geschäftsmodell entwickelst.

In diesem Artikel erfährst Du, was hinter dem Begriff "Iteration" steckt, warum sie unverzichtbar für Dich als Sologründer sind und wie sie Dir helfen, die Herausforderungen der VUCA-Welt zu meistern.

Was ist eine Iteration?

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Eine Iteration ist ein Prozess mehrfachen Wiederholens gleicher oder ähnlicher Handlungen, um sich einer Lösung oder einem Ziel anzunähern.

So steht's zumindest in Wikipedia.

Im Grunde bedeutet iteratives Vorgehen also nicht mehr, als dass Du Dich Schritt für Schritt Deinem Ziel näherst und dabei kontinuierlich überprüfst, was funktioniert und was nicht. Die Iteration selbst bietet Dir dabei einen Rahmen, den Du immer wieder gleich (oder zumindest ähnlich) durchführst.

Auf diese Weise erzeugst Du durch Iterationen - trotz aller Ungewissheit - eine klare Struktur in Deiner Vorgehensweise, die Dir Orientierung verschafft und gleichzeitig einen Rhythmus erzeugt.

Außerdem bietet Dir das Ende jeder Iteration immer auch die Möglichkeit zu Reflexion: Weitergehen oder Kurswechsel?

Wann ist iteratives Vorgehen notwendig?

Iterationen sind immer dann sinnvoll, wenn Du mit viel Ungewissheit und Komplexität konfrontiert bist. Denn in solchen Situationen kannst Du Dein Problem weder vorab analysieren noch einen ausgefeilten Masterplan aufstellen, wie Du Deine Herausforderungen angehen möchtest.

Iterationen helfen Dir dabei, zu experimentieren, auszuprobieren und schnell hinzuzulernen.
Ein weißer Papierflieger auf rotem Hintergrund mit zwei zerknüllten Papierbällen davor, symbolisiert iteratives Vorgehen und den Lernprozess durch Versuch und Irrtum.
Iteratives Vorgehen hilft Dir dabei, schnell hinzuzulernen, was funktioniert und was nicht.

Beispiel für Iterationen

Tatsächlich kennst Du Iterationen schon! Auch wenn Dir der Begriff vielleicht (noch) nicht bekannt war. Denn jedes Gesellschaftsspiel nutzt sie. Nur heißen sie hier: Spielzüge.

Ich möchte Dir das Ganze kurz am Beispiel des bekannten Legespiels Carcassonne verdeutlichen.

Ungewissheit und Komplexität in Carcassonne

Wie jedes andere Brettspiel ist auch Carcassonne durch einen hohen Grad an Komplexität und Ungewissheit gekennzeichnet. Beides entsteht durch die Spielregeln bzw. Spielmechaniken des Legespiels.

  1. In jedem Spielzug ziehst Du eine Spielkarte, die Du zuvor nicht kennst.
  2. Jede gezogene Spielkarte bietet Dir sehr viele Optionen, sie an die existierende Fläche anzulegen.
  3. Du kannst einen Gefolgsmann setzen und als Ritter, Wegelagerer, Mönch oder Bauern verwenden.
  4. Du weißt nicht, wie Deine Mitspieler bzw. Gegner auf Deine Spielzüge reagieren werden.
Nahaufnahme einer laufenden Carcassonne-Partie.
Gesellschaftsspiele wie Carcassonne erzeugen Komplexität und Ungewissheit.

Das bedeutet: Jedes Mal wenn Du am Zug bist, bist Du mehr oder weniger dem Zufall ausgeliefert und musst mit dem arbeiten, was Du gerade gezogen hast. Gleichzeitig erzeugt Dein eigener Spielzug bei Deinen Mitspielern Gegenreaktionen. (Weil sie Dich ja nicht gewinnen lassen wollen.) Jedes Mal, wenn Du am Zug bist, musst Du also Deine aktuelle Situation neu bewerten.

Dadurch ist es für Dich vollkommen unmöglich, vorab einen Plan zu entwerfen, wie Dein finales Königreich aussehen soll.

Iterationen in Carcassonne

Was ist nun die beste Strategie, um der Komplexität von Carcassonne zu begegnen? Die Lösung liegt darin, iterativ vorzugehen.

Statt einen festen Masterplan zu verfolgen, versuchst Du Dich schrittweise Deinem Ziel anzunähern: Jedes mal wenn Du an der Reihe bist, bewertest Du Deinen aktuellen Stand und lernst hinzu, ob Deine aktuelle Strategie noch funktioniert. Falls das der Fall ist, kannst Du sie weiterverfolgen. Falls nicht, nimmst Du auf Basis Deiner neuen Informationen Kurskorrekturen vor und passt Deine Strategie an.

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Um Carcassonne zu gewinnen und der Komplexität ein Schnippchen zu schlagen, musst Du also kontinuierlich hinzulernen und Dich bei jedem Spielzug an neue Situationen anpassen.

Vorteile durch Iterationen

Genauso wie bei Carcassonne bieten Dir Iterationen viele Vorteile, wenn Du bei Deiner Gründung bzw. mit Deinem Business mit viel Ungewissheit und Komplexität konfrontiert bist.

  1. Du kannst Experimente durchführen, um gezielt neue Informationen zu erlangen oder Hypothesen zu validieren. Zum Beispiel: "Akzeptieren meine Onlineshop-Kunden die Zahlung per Kreditkarte?" oder "Steigert Feature X die Zufriedenheit meiner Kunden?"
  2. Je kürzer Deine Iterationen sind, desto schneller kannst Du hinzulernen und Kurskorrekturen vornehmen.
  3. Durch kleine, schnelle Schritte reduzierst Du außerdem das Risiko in eine falsche Richtung zu laufen.

Herauszufinden, was nicht funktioniert, ist in der VUCA-Welt genauso wertvoll wie herauszufinden, was funktioniert. Deshalb spricht man auch sehr häufig von Fail fast & forward.

Zwei Kinder mit Schutzbrillen und rußverschmierten T-Shirts sitzen in einem Labor voller Reagenzgläser und Kolben mit bunten Flüssigkeiten.
Tests und Experimente sind ein wichtiger Aspekt, um Iterationen erfolgreich zu nutzen.

Iterationen in agilen Methoden

Agile Methoden wie Objectives & Key Results, Lean Startup oder auch Design Thinking machen sich Iterationen zunutze, um Dir einen organisatorischen Rahmen zu geben, wenn Du mit viel Ungewissheit umgehen musst.

Iterationen in Scrum

Bekannt geworden sind Iterationen natürlich durch Scrum. Scrum hat eine sehr formale Struktur für Iterationen, die dem Ablauf eines Spielzugs in Gesellschaftsspielen sehr nahe kommt. Hier nennen sich diese Iterationen Sprints, die eine maximale Dauer von einem Monat haben. Der Ablauf und Aufbau eines Sprint ist dabei immer gleich.

Eine rote geschwungene Pfeilform symbolisiert den iterativen Zyklus, mit den wichtigsten Ereignissen Sprint Planning, Daily Scrum, Sprint Review und Sprint Retrospektive als schwarze Kreise entlang des Ablaufs.
Iterationen in Scrum

Jeder Scrum Sprint beginnt mit dem sogenannten Sprint Planning und wird mit der Sprint Review und der Sprint Retrospektive beendet. Während des Sprints selbst findet an jedem Tag das Daily Scrum statt. Hier treffen sich alle Teammitglieder für eine Vierstunde, um neue Informationen und Herausforderungen miteinander zuteilen.

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Falls Du Scrum noch nicht kennst und mehr über seine Funktionsweise erfahren möchtest, kannst Du Dir über den Scrum Guide einen schnellen ersten Überblick verschaffen. Dort sind die einzeln Scrum Events auch noch einmal etwas ausführlicher erläutert.

Iterationen in der OKR-Methode

Ursprünglich war OKR lediglich eine Methode, um besser Ziele zu formulieren. Seit einigen Jahren ist es jedoch üblich geworden, auch bei OKR mit Iterationen zu arbeiten. Die Iterationen des OKR Zyklus sind dabei von Scrum geklaut inspiriert und folgen genau dem gleichen Schema.

In einem OKR Planning werden Objectives & Key Results formuliert und am Ende eines Quartals findet eine OKR Review bzw. OKR Retrospektive statt. Im Gegensatz zu Scrum nutzt OKR jedoch sogenannte Check-ins für den wöchentlichen oder zweiwöchentlichen Austausch über den aktuellen Stand der OKR. Manchmal heißen sie deshalb Weekly oder eben Biweekly.

Iterationen im Lean Startup

Lean Startup setzt auf den sogenannten Build-Measure-Learn-Zyklus, um Iterationen methodisch zu verankern. Hierbei testet Du Deine Idee so einfach, schnell und kostengünstig wie möglich mit Hilfe eines Minimum Viable Products (MVP).

Kreisdiagramm mit drei Segmenten, das den Build-Measure-Learn-Zyklus im Lean-Startup-Ansatz darstellt.
Auch Build-Measure-Learn aus dem Lean Startup ist eine Form von Iteration.

Durch den Feedback-Loop im Lean Startup erhältst Du frühzeitig Feedback von Deinen Kunden und Deinem Markt und kannst fundierte Entscheidungen treffen, bevor Du größere Investitionen tätigst. Außerdem spielen Metriken in dieser Art von Iterationen eine zentrale Rolle.

Im Gegensatz zu Scrum oder OKR ist die Länge der Iteration im Lean Startup nicht klar definiert.

Iteratives Vorgehen im Design Thinking

Während Lean Startup sich ganz auf das schnelle Testen von Geschäftsideen mit einem MVP konzentriert, liefert Dir Design Thinking kreative Techniken, um die Bedürfnisse Deiner Zielgruppe zu verstehen. Auch Design Thinking nutzt Iterationen, um neu gewonnene Informationen zu verarbeiten.

In der Praxis bedeutet das, dass Du die 6 Design Thinking Phasen niemals linear durchläufst. Vielmehr springst Du immer dann, wenn Du neue Erkenntnisse gewonnen hast, zu einer passenden Phase zurück, um den Design Thinking Prozess von dort erneut zu beginnen.

6 Design Thinking Phasen als Kreise von links nach rechts dargestellt. Von jedem Kreis gehen Pfeile zurück zu vorherigen Phasen, um iteratives Vorgehen darzustellen.
Iterationen im Design Thinking Prozess

Design Thinking ist dabei jedoch "weniger streng" als Scrum, OKR oder Lean Startup. Während es bei den anderen agilen Methoden einen festen, immer wiederkehrenden Ablauf gibt, ist das iterative Vorgehen im Design Thinking sehr viel flexibler.

Im Design Thinking kannst bzw. musst Du je nach Situation selbst entscheiden, wo du den Neustart des Prozesses beginnen möchtest.

Fazit zu Iterationen

Iterationen sind für Dich als Sologründer ein wichtiger Schlüssel, um Komplexität und Ungewissheit in der Gründungsphase zu bewältigen. Aber selbst dann, wenn Du bereits "lange im Geschäft" bist und ein neues Produkt oder Angebot entwickeln willst, helfen Dir Iterationen dabei, Fehlschläge zu vermeiden.

Statt also im stillen Kämmerlein Deinen nächsten großen Onlinekurs umzusetzen und ihn erst ganz am Schluss Deinen Kunden zu präsentieren, tust Du gut daran, in kleinen Schritten zunächst zu lernen, ob Deine Kunden sich überhaupt dafür interessieren.

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