Für wen ist Dein Angebot eigentlich gedacht? Diese einfache Frage bringt viele Solo-Gründer ins Stocken. Denn ohne klares Kundensegment bleibt das beste Produkt oft wirkungslos. Kundensegmente helfen Dir, Fokus zu finden. Sie zeigen Dir, wer wirklich von Deinem Angebot profitiert und worauf es diesen Menschen ankommt. Warum Dich klassische Ansätze dabei oft in die Irre führen und wie Du mit der Jobs-to-Be-Done-Methode bessere Entscheidungen triffst, erfährst Du in diesem Artikel.

Vorteile durch klare Kundensegmente

Auch wenn die Erstellung & Definition eines klar definierten Kundensegments zugegebenermaßen gerade zu Beginn recht viel Aufwand für Dich mit sich bringt, solltest Du auf keinen Fall darauf verzichten, Dir ein präzises Bild von Deinen Kunden zu machen.

Denn klare Kundensegmente bieten Dir eine ganze Reihe von Vorteilen:

Passende Lösungen für Deine Kunden

Der wohl wichtigste Punkt, warum es sich für Dich lohnt, Deine Kunden genau zu kennen, ist natürlich der, dass Du dadurch Angebote entwickeln kannst, die genau zu Deinem Kundensegment passen.

Das heißt, Du hast eine klar definierte Kundengruppe und bietest ihnen ein ebenso klar definiertes Produkt oder eine Dienstleistung an. In der Praxis nennt sich dieser Zustand auch Problem Solution Fit. Deshalb ist es wichtig, dass die Bedürfnisse, Probleme und Anforderungen Deines Kundensegments so homogen wie möglich sind. Sind sie zu unterschiedlich, wird es Dir schwer fallen, eine Lösung zu entwickeln, weil das Feedback Deiner Kunden eine zu große Bandbreite aufweist.

In meinem Artikel Ich packe meinen Koffer und nehme mit... erfährst Du, wie Du dabei am besten vorgehst.

Ein perfekter Problem Solution Fit sorgt für zufriedene Kunden.
Ein perfekter Problem Solution Fit sorgt für zufriedene Kunden.

Eine optimierte Customer Journey

Zweitens kannst Du durch klar definierte Kundensegmente die Customer Journey präzise auf Deine Kunden abstimmen. Denn je besser Du Deine Kunden kennst, desto einfacher kannst Du entscheiden, welche Touchpoints relevant sind und welche nicht.

Unterscheide zwischen attraktiven und nicht-attraktiven Kunden

Drittens bist Du mit Hilfe von Kundensegmenten in der Lage, zwischen attraktiven und nicht-attraktiven Kundensegmenten zu unterscheiden. Auf diese Weise kannst Du Dein Produkt für die lukrativste Kundengruppe optimieren und versuchst nicht "mit der Gießkanne" allen potenziellen Käufern irgendwie gerecht zu werden. (Gerade dann, wenn Du nur ein recht kleines Budget hast, kann die Auswahl des richtigen Kundensegments essenziell für Dich sein.)

Stärkere Kundenbeziehungen

Letztlich führen die oben genannten Punkte auch zu stärkeren Kundenbeziehungen und einer längeren Kundenbindung. Auch dieser Aspekt macht für Dich als Solopreneur betriebswirtschaftlich sehr viel Sinn, weil er den sogenannten Customer Lifetime Value steigert. Je länger Dir ein Kunde treu bleibt, desto mehr Einnahmen wirst Du durch ihn generieren können, ohne dass Du dabei so viel Aufwand investieren musst wie bei der Neukundenakquise.

Geeignete Interviewpartner finden

Fünftes macht es Dir ein klar definiertes und homogenes Kundensegment leichter, geeignete Gesprächspartner zu finden. Wenn Du zum Beispiel Design Thinking oder Lean Startup nutzt, um Deine Gründung voranzutreiben, wirst Du in diesem Zug auch Interviews mit Kunden und Nutzern führen.

Wenn Du Dein Kundensegment als "Solo-Gründer, die ihr Marketing mit Hilfe von Instagram umsetzen möchten" definierst, findest Du sehr viel einfacher passende Interviewpartner, als wenn Dein Kundensegment lediglich "Soloselbstständige" ist.

Kundensegmente definieren

Ein Kundensegment ist eine Gruppe von Menschen, die bestimmte gemeinsame Merkmale haben. Diese Merkmale unterscheiden sie gleichzeitig von anderen Kunden bzw. Kundensegmenten, die diese Merkmale nicht haben.

Alle Menschen in einem Kundensegment bilden also eine homogene Gruppe und sind sich möglichst ähnlich. Üblicherweise werden zur Definition von Kundensegmenten soziodemografische, geografische und psychografische Merkmale genutzt. (Allerdings ist dieses Vorgehen meiner Meinung problematisch, worauf ich weiter unten eingehen werde.)

Kundensegmente bilden eine homogene Gruppe von Menschen.
Kundensegmente bilden eine homogene Gruppe von Menschen.

Soziodemografische Merkmale

Eine Kategorie, um Dein Kundensegment besser zu verstehen, sind die sogenannten soziodemografischen Merkmale. Hierzu gehören Alter, Geschlecht, Bildungstand, ethnische Herkunft oder kultureller Hintergrund, Religion, Familienstand, Haushalt, Beschäftigung oder Einkommen.

Geografische Merkmale

Auch geografische Merkmale können eine wichtige Rolle für Dein Kundensegment spielen. Das gilt natürlich ganz besonders dann, wenn Du selbst planst, einen lokalen Service anzubieten oder sogar ein Ladengeschäft zu betreiben.

Aber selbst für digitale Produkte können geografische Merkmale wichtig sein. Das beginnt schon damit, dass Du entscheiden musst, in welcher Sprache die Blogbeiträge Deiner Webseite verfasst sind. Hinzu kommen natürlich auch besondere Gesetze in unterschiedlichen Ländern.

Psychografische Merkmale

Psychografische Merkmale umfassen Informationen wie zum Beispiel Aktivitäten & Interessen, Meinungen & Ansichten, Lebensstil oder Werte bis hin zu Persönlichkeit und sozialem Status.

Kundensegmentierung mit Jobs to Be Done

Auf den ersten Blick mag es durchaus logisch und nachvollziehbar sein, Kundesegmente mit Hilfe der oben genannten Merkmale zu definieren. Jedoch sind alle drei oben genannten Kategorien vollkommen nutzlos für Dich, wenn Du nicht weißt, worum es Deinem Kundensegment im Kern geht und welche Ergebnisse sie dabei anstreben.

Es hilft Dir beispielsweise überhaupt nicht, Deine Zielgruppe einfach als "12- bis 15-jährige Jungen" zu definieren, wenn Dein Kundensegment (potenziell) auch einen Querschnitt über viele verschiedene Altersgruppen hinweg abbilden könnte und die Gemeinsamkeiten Deines Kundensegments völlig woanders liegen.

Denn nur weil Du eine Gruppe identifiziert bzw. selbst definiert hast, die hinsichtlich Alter, Geschlecht, Familie, Bildung oder irgendwelcher anderen Merkmale homogen ist, hast Du noch lange kein sinnvolles Kundensegment.

Die Jobs-to-Be-Done-Methode (JTBD) bietet Dir eine alternative Möglichkeit, Dein Kundensegment zu definieren.

Spielfiguren, die untereinander als Netzwerkverbunden sind und stellvertretend für Kundensegmente stehen.
Kundensegmente lassen sich sehr gut mit Hilfe von JTBD definieren.

Um wirklich bewerten zu können, ob bestimmte Merkmale für Dein Kundensegment relevant sind, musst Du sowohl den Main Job to Be Done als auch den wichtigsten Customer Gain Deines Kundensegments kennen. Erst danach können Dir soziodemografische, geografische oder psychografische Merkmale wirklich weiterhelfen.

Was ist ein "Main Job to Be Done"?

Die erste Frage, die Du beantworten können musst, um ein wirklich hilfreiches Kundensegment zu definieren, ist die Frage nach dem wichtigsten Job to Be Done, bei dem Du Deiner Zielgruppe helfen möchtest. (Ich nenne diesen wichtigsten JTBD auch den Main Job oder Main JTBD.)

Im Grunde geht's um die Frage:

  • Was ist die Hauptaufgabe, bei der Du Deinem Kundensegment helfen möchtest?
  • Worum geht es diesen Menschen im Kern?

Natürlich existieren neben dem Main JTBD noch viele weitere Jobs to Be Done. Aber all diese weiteren JTBD zielen letztlich darauf ab, den Main Job zu unterstützen. Es gibt sozusagen Hierarchien von JTBD und der Main JTBD steht ganz oben auf der Liste.

Was ist ein "Customer Gain"?

Die zweite Frage, die Du beantworten musst, wenn Du ein wirklich hilfreiches Kundensegment definieren möchtest, ist:

  • Wann sagen die Menschen Deines Kundensegments, dass ihr Main Job erfolgreich erledigt wurde?

Bei dieser Frage geht es um den sogenannten Customer Gain, der mit dem Main Job erreicht werden soll: Was ist für Dein Kundensegment das engstrebte Ergebnis, wenn sie ihren Main Job durchführen?

Customer Gain: Wann ist der JTBD erfolgreich erledigt?
Customer Gain: Wann ist der JTBD erfolgreich erledigt?

Beispiel für Main JTBD & Customer Gain

Was jetzt auf den ersten Blick vielleicht etwas kompliziert klingt, ist im Grunde ziemlich simpel. Deshalb möchte ich Dir das Prinzip kurz am Beispiel der scamper.community illustrieren:

  • Das Kundensegment der scamper.community sind Solopreneure und Solo-Gründer.
  • Der Main JTBD von Solo-Gründern und Solopreneuren ist es, ein erfolgreiches Geschäftsmodell zu entwickeln.
  • Der wichtigste Customer Gain ist es, dabei schnell hinzuzulernen.

Übersichtlich als Tabelle sieht das Ganze folgendermaßen aus:

Kundensegment

Main JTBD

Wichtigster Customer Gain

Solopreneure & Solo-Gründer

Geschäftsmodelle entwickeln

Schnell hinzulernen

Natürlich haben Solopreneure und Solo-Gründer auch noch andere JTBD, aber für die scamper.community sind diese nicht relevant. Alles, worum es hier geht, ist:

Dir dabei zu helfen so schnell wie irgendwie möglich herauszufinden, welche Deiner vielen Ideen sich wirklich ein tragfähiges Business verwandeln lassen und welche nicht. Und deshalb findest Du hier ausschließlich Artikel und Beiträge zu Themen wie Design Thinking, Lean Startup, Strategie usw.

Kundensegmente mit "Clarifiern" verfeinern

Wenn Du im ersten Schritt sowohl den Main JTBD als auch den (damit zusammenhängenden) wichtigsten Customer Gain für Dein Kundensegment definiert bzw. gefunden hast, dann kannst Du die oben erwähnten soziodemografischen, geografischen oder psychografischen Merkmale nutzen, um Dein Kundensegment weiter zu verfeinern.

Denn nun bist Du in der Lage zu entscheiden, ob diese Merkmale überhaupt relevant sind. Falls das der Fall sein sollte, kannst Du aus solchen Merkmalen Deines Kundensegments Clarifier ableiten. (Clarifier grenzen Dein Kundensegment also weiter ein und verdeutlichen Besonderheiten anhand wichtiger bzw. relevanter Merkmale.)

Beispiele für Clarifier

Wenn es darum geht, ein erfolgreiches Business Model zu entwickeln und schnell hinzuzulernen, bedeutet das für Solo-Gründer, dass sie dafür nur ein geringes Budget zur Verfügung haben. (Teure Fortbildungen oder gar eine individuelle Beratung bzw. Coaching sind für dieses Kundensegment also eher unattraktiv.) Gleichzeitig ist das Gender Pay Gap bei Selbstständigen noch einmal deutlich größer ist als bei Angestellten.

Und obwohl Letzteres natürlich für selbstständige Frauen sehr viele Nachteile, Herausforderungen und Probleme mit sich bringt, spielt dieses demografische Merkmal (weiblich vs. männlich) für den Main Job bzw. Customer Gain (Geschäftsmodell entwickeln bzw. schnell hinzulernen) keine Rolle.

Anders ist das natürlich, wenn Du Solo-Gründern dabei helfen möchtest, für das Alter vorzusorgen (Main Job), um das Risiko von Altersarmut zu senken (Customer Gain). Denn hier sind Frauen in einer vollkommen anderen (und extrem benachteiligten) Situation als Männer.

Eine Frau mit langen dunklen Haaren, die einen roten Pullover trägt und vor einem roten Hintergrund steht. Sie zeigt mit neutralem Gesichtsausdruck einen Daumen nach unten. Dieses Bild symbolisiert, dass nicht alle Kundensegmente gleichermaßen begeistert sind und es wichtig ist, die Bedürfnisse und Erwartungen verschiedener Zielgruppen zu verstehen.
Kundensegmente helfen Dir dabei zu verstehen, welche Merkmale wirklich relevant sind.

Wie Du in der folgenden Tabelle siehst, verändert sich die Relevanz von soziodemografischen Merkmalen Deines Kundensegments je nach Main JTBD und Customer Gain, obwohl das Kundensegment identisch bleibt.

Während es im ersten Fall irrelevant ist, ob Solo-Gründer männlich oder weiblich sind, hat es im zweiten Fall eine ganz zentrale Bedeutung, weil Frauen gegenüber Männern stark benachteiligt sind.

Kundensegment

Main JTBD

Wichtigster Customer Gain

Clarifier (Relevante Merkmale)

Solo-Gründer & Solopreneure

Geschäftsmodelle entwickeln

Schnell hinzulernen

Geringes Einkommen/Budget

Solo-Gründer & Solopreneure

Für das Alter vorsorgen

Risiko von Altersarmut senken

Frauen liegen 44 % (!) unter dem Durchschnittseinkommen von Männern

Frauen können 9 Stunden weniger arbeiten (Vereinbarkeit von Familie und Beruf)

Kundensegmente visualisieren

Damit die Erkenntnisse, die Du über Dein Kundensegment in Deinen Interviews gesammelt hast, nicht verloren gehen, solltest Du diese visualisieren und dokumentieren. Die beiden einfachsten Möglichkeiten zu diesem Zweck sind das Value Proposition Canvas von Alexander Osterwalder oder eine User Persona.

Value Proposition Canvas

Das Value Proposition Canvas besteht aus zwei Elementen: Zum einen aus der Value Map und zum anderen aus dem Customer Profile, also aus Deinem Kundensegment. Im Customer Profile kannst Du die Jobs, Pains und Gains Deiner Kunden festhalten, die Du in Deinen Interviews entdeckt hast.

Das Value Proposition Canvas mit Fokus auf das Customer Profile. Die rechte Seite des Canvas zeigt das Kundenprofil als blauen Kreis, der in drei Segmente unterteilt ist: Jobs, Pains und Gains. Links befindet sich die Value Map, die das Wertangebot Deines Unternehmens darstellt.
Das Customer Profile auf dem Value Proposition Canvas bietet Platz für die Jobs, Pains & Gains Deines Kundensegments.

User Personas

Auch wenn das Value Proposition Canvas für eine erste Sammlung von Erkenntnissen durchaus hilfreich ist, kannst Du damit bei Weitem nicht alles Wichtige über Dein Kundensegment festhalten. Im Design Thinking wird deshalb in der Regel eine User Persona genutzt, um wichtige Informationen und Details festzuhalten.

User Persona für Rebecca Holtkamp, eine alleinerziehende Organisationsberaterin in ihren späten 30ern aus Neuss (Düsseldorf). Ihre beruflichen Schwerpunkte liegen im Führungskräfte-Training und der Unternehmenskultur. Die Persona beschreibt ihre Pains (z. B. Umsatzverlust bei Kundenarbeit), Jobs (z. B. Produktentwicklung, Austausch mit anderen), Gains (z. B. weniger Stress, Automatisierung), Werte & Einstellungen (z. B. hoher Stellenwert der Familie, psychologische Sicherheit), technische Vorlieben (Technik muss funktionieren, seltene Nutzung von Social Media) und Markenvorlieben (Apple).
Rebecca Holtkamp - Beispiel für eine User Persona, mit deren Hilfe Du wichtige Informationen über Dein Kundensegment visualisieren kannst.

Fazit zu Kundensegmenten

Ich hoffe, ich konnte Dir mit diesem Artikel zeigen, dass soziodemografische, geografische und psychografische Merkmale zwar wichtig sind, um Kundensegmente weiter zu verfeinern, aber dass Du sie eben erst im zweiten Schritt sinnvoll bewerten kannst.

Im ersten Schritt musst Du Dir über die Hauptaufgabe (Main Job) und das angestrebte Ergebnis (Customer Gain) klar werden, bei dem Du Deinem Kundensegment helfen möchtest. Erst danach kannst Du erkennen, welche Merkmale diese Zielgruppe miteinander teilen bzw. welche dieser Merkmale tatsächlich entscheidend sind.

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