Manche Interviewfragen kommen ziemlich unscheinbar und harmlos daher. In Wahrheit haben sie jedoch verheerende Folgen für die Qualität der Antworten. Sie liefern Dir oberflächliche Nettigkeiten, verzerren Deine Wahrnehmung und führen Dich geradewegs in die falsche Richtung.

Glaubst Du, dass das eine gute Idee ist?

Deinen Interviewee danach zu fragen, wie er oder sie Deine Produkt- oder Geschäftsidee findet, ist wahrscheinlich die schlimmste Frage, die Du überhaupt stellen kannst. Denn nur der Markt entscheidet, ob Deine Idee gut ist – alles andere ist bloß Meinung.

Maximal erhältst Du also Fluff (Gelaber) oder Rauschen als Antwort auf diese Frage. Schlimmstenfalls glaubst Du nach einer solchen Frage, dass Deine Idee hervorragend ist, nur um dann später festzustellen, dass sie nicht funktioniert.

Was Du stattdessen fragen solltest

Frage danach, welche aktuellen Lösungen und Workarounds Dein Interviewee nutzt. Denn so findest Du heraus, wie gut diese funktionieren und wo Deine Produktidee besser sein muss. Falls gar keine Lösung genutzt wird, kann es auch sein, dass für Deinen Interviewee weder ein Problem noch ein zu erledigender Job to Be Done (JTBD) existiert.

  • "Welche Lösung nutzt Du derzeit, um das Problem zu lösen?"
  • "Was sind die Nachteile Deiner aktuellen Lösung?"
  • "Hast Du schonmal darüber nachgedacht, Deine Lösung zu wechseln?"
  • "Was hielt Dich davon ab, Deine Lösung zu wechseln?"

Wieviel würdest Du für ein Produkt bezahlen, das "x tut"?

Was soll jemand auf diese Frage antworten? 10 Euro? 100 Euro? Jeder Betrag, den Dir ein Interviewee nennt, ist bestenfalls eine hypothetische Schätzung. Und was willst Du später mit dem Ergebnis machen? Einen Durchschnittswert berechnen? Die Wahrheit ist, dass Dir Dein Interviewee nicht sagen kann, wieviel Geld er tatsächlich in Deine Produktidee investieren würde.

Was Du stattdessen fragen solltest

Falls Dein Interviewee bereits eine Lösung bzw. Produkt nutzt, um seine Aufgabe zu erledigen, solltest Du genau danach fragen. Dadurch erhältst Du einen guten Einblick darüber, wie hoch seine oder ihre Bereitschaft ist, Geld für eine Lösung auszugeben.

  • "Wieviel gibst Du derzeit aus, um das Problem zu lösen?"
  • "Was kostet Deine aktuelle Lösung?"
  • "Was kostet es Dich, wenn Du das Problem nicht löst?"

Würdest Du ein Produkt kaufen, das "x tut"?

Auch mit dieser Frage erhältst Du in erster Linie Meinungen oder hypothetische Absichtserklärungen als Antwort. Bewusst oder unbewusst wird Dein Interviewee die Möglichkeit ergreifen, Dir eine positive Antwort zu geben, weil er oder sie glaubt, Dich damit glücklich zu machen.

Deshalb wird die Antwort in den meisten Fällen natürlich "Ja" lauten. Einfach, weil Dein Interviewee höflich und nett sein möchte.

Um herauszufinden, ob jemand Dein Produkt wirklich kaufen würde, eignen sich Interviews überhaupt nicht.

Was Du stattdessen tun solltest

Nutze ein Minimum Viable Product, mit dessen Hilfe Du einen "Kauf simulierst". Dazu könntest Du zum Beispiel einen Fake-Door-Test auf einer Landingpage einrichten, die Vorbestellungen ermöglicht. Auch eine Crowdfunding-Kampagne ist eine gute Möglichkeit, die Zahlungsbereitschaft Deiner Zielgruppe zu testen.

Welche Features sollte mein Produkt haben?

Es scheint verführerisch, Deine Interviewees aktiv danach zu fragen, welche Features sie sich wünschen. Der Grundgedanke dabei ist, dass er oder sie es ja am besten wissen wird, was benötigt wird.

Das ist keine gute Idee!

Denn erstens wirst Du auf diese Weise eine lange Liste an Feature-Ideen zusammentragen, die Du niemals abarbeiten kannst. (Nennt sich auch Feature Creep.) Potenziell blähst Du Dein Produkt mit vielen unnützen Funktionen auf, die niemand braucht.

Zweitens kann es gut sein, dass Dein Interviewee "nur hilfreich" sein wollte und Features vorschlägt, die er selbst gar nicht braucht. (Einfach, weil er glaubt, dass andere sich für so ein Feature interessieren könnten.)

Drittens kann der Wunsch nach einer bestimmten Funktion oder einem Produktmerkmal auch darin begründet sein, dass ein existierender, aber schlechter Workflow verbessert werden soll. Besser wäre es jedoch, wenn Dein Produkt, diesen schlechten Workflow komplett ablösen würde. Das findest Du aber nicht heraus, wenn Du einfach jeden Feature-Wunsch direkt umsetzt.

Was Du stattdessen fragen solltest

Schlauer ist es deshalb, herauszufinden, was der JTBD Deines Interviewees ist, welche Herausforderungen dabei auftauchen und wie er oder sie das Problem aktuell löst.

  • "Wobei würde Dir dieses Feature helfen?"
  • "Erzähle mir, wie Du aktuell vorgehst, wenn Du diese Aufgabe erledigst und welchen Vorteil Dir das Feature bieten würde!"

Fazit

Sprich in Deinen Interviews weder über Deine Idee noch über eine hypothetische Zukunft! Denn beides ermöglicht Deinem Interviewee höflich und unverbindlich zu antworten. Bestenfalls erhältst Du höfliche Komplimente, unverbindliche Absichtserklärungen oder gut gemeinte Feature-Wünsche.

Fokussiere Dich deshalb auf konkrete Momente & Ereignisse der Vergangenheit und die Lebenswelt Deines Interviewees.

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Wie Du dabei vorgehst, erfährst Du in meinem Artikel Schluss mit Fluff! Wie der Mom Test Dein nächstes Interview rettet.
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